2.3 Eine Story entwickeln
Nachdem wir uns bei der Ideenentwicklung für ein Werk entschieden und uns erste Gedanken zu unserer Story gemacht haben, müssen wir unsere Geschichte gliedern. Dabei sollten wir vor allem an das Publikum denken, an das sich unsere Story richtet. Möchten wir Kinder, Jugendliche, Erwachsene oder bestimmte Gesellschaftsgruppen ansprechen? Unsere Digitale Story sollte sowohl inhaltlich als auch sprachlich den Bedürfnissen unserer Zielgruppe entsprechen. Grundsätzlich gilt, Interesse zu wecken und unsere Geschichte so aufzubauen, dass sie verständlich und zugleich ansprechend aufbereitet ist. Eine gelungene Digitalen Story basiert in erster Linie auf einer spannend erzählten Story, die sowohl sprachlich als auch visuell beim Publikum ankommt.
Inhalt
Lernziele
- In diesem Kapitel lernen wir, wie wir den kunsthistorischen Inhalt unserer Geschichte in eine Erzählform bringen, die für die Lesenden ansprechend ist und welche Möglichkeiten sich hierzu anbieten.
Geschichten erzählen
Haben wir uns für eine Story entschieden, geht es als nächstes an die Recherche und das Sammeln von Material, welches die Grundlage für unsere Geschichte bildet. Das Einarbeiten in das jeweilige Werk läuft analog zu der Recherche für jegliche andere wissenschaftliche Publikationsformen. Wichtig ist, dass wir bereits bei der Aufarbeitung des Themas den roten Faden, also den thematischen Bezug zu unserer Story, immer berücksichtigen und im Kopf behalten.
Unsere Story sollte einen Spannungsbogen beinhalten, hierfür können wir uns an den klassischen Narrationsformen, z. B. Lineares Erzählen (A-B-C), Rückblende (B-A-C) oder Vorwegnahme (A-C-B), orientieren. Die Ordnung, das heißt die Reihenfolge unserer Erzählung, ist dabei variabel. Allerdings sollten wir unbedingt überprüfen, welche Ordnung sich für die Geschichte, die wir erzählen wollen, am besten eignet. Dies hilft uns dabei, unsere Story in einzelne Textsegmente zu gliedern und für den darauffolgenden Arbeitsschritt, die Erarbeitung des Storyboards, vorzubereiten.
Beispiel:
- Wenn gilt: A = Beschreibung, B = Ikonografie, C = Schlussfolgerung
- Werk: Lucca-Madonna
- Zu erzählende Geschichte: Handelt es sich bei den dargestellten Personen um die Madonna mit Christusknaben?
A B C (Lineares Erzählen)
A B C | Beispiel |
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A (Beschreibung) | In einem engen Raum sitzt eine prachtvoll gewandete Frau, die ein Kind stillt. |
B (Ikonografie) | Das Motiv der stillenden Frau kennen wir aus der christlichen Ikonografie von Darstellungen der stillenden Gottesmutter, auch ‘Maria lactans’ genannt. Zusätzlich finden sich weitere Mariensymbole im Raum, nämlich… |
C (Schlussfolgerung) | In Jan van Eycks Gemälde wird den Betrachter:innen die stillende Gottesmutter mit Christusknaben präsentiert. |
B A C (Analepse)
B A C | Beispiel |
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B (Ikonografie) | Die christliche Ikonografie kennt zahlreiche Marien- und Christussymbole, die schon zu Lebzeiten Jan van Eycks in der Malerei etabliert waren. Vielfach finden sich Darstellungen der stillenden Gottesmutter, ‘Maria lactans’ genannt. |
A (Beschreibung) | Auf dem vorliegenden Bild sehen wir eine prachtvoll gewandete Frau, die ein Kind stillt. Ferner sieht man… |
C (Schlussfolgerung) | Die beigefügten Symbole lassen sich nach Lesart der christlichen Ikonografie als Marien- und Christussymbole entschlüsseln, weshalb die Betrachter:innen in der Frau mit Kind tatsächlich die stillende Gottesmutter vor sich haben. |
A C B (Prolepse)
A C B | Beispiel |
---|---|
A (Beschreibung) | In einem engen Raum sitzt eine prachtvoll gewandete Frau, die ein Kind stillt. |
C (Schlussfolgerung) | Es handelt sich dabei um die stillende Gottesmutter mit Christusknaben. |
B (Ikonografie) | Das Motiv der stillenden Gottesmutter wird in der christlichen Ikonografie als ‘Maria lactans’ bezeichnet. In diesem Bild lassen sich die beigefügten Attribute der Marien- und Christussymbolik zuordnen. |
Kishōtenketsu
Diese Beispiele bilden die in westlichen Kulturkreisen gängigen Ordnungen des Erzählens. Andere Kulturkreise kennen weitere Narrationsformen. An dieser Stelle sei beispielsweise auf das aus der japanischen Literatur stammende Kishōtenketsu verwiesen, einer Erzählform, wie sie in den traditionellen westlichen Kulturkreisen lange nicht bekannt war. Diese japanische Erzählstruktur besteht aus den vier Abschnitten Ki (Einleitung der Geschichte), Shō (Entwicklung der Geschichte), Ten (Wendepunkt der Geschichte, der auf den ersten Blick nichts mit der bisherigen Erzählung zu tun hat) und Ketsu (Schluss, der alle Erzählstränge miteinander verbindet).
Welche Erzählform auch immer für die Digitale Story gewählt wird - sie sollte dem Gegenstand angemessen und für die Leser:innen bzw. Betrachter:innen interessant sein!
Weblinks und Literatur
Weblinks
- Städel Digitorial: Rubens. Kraft der Verwandlung
- Google Arts & Culture: Meet Vermeer
Literatur
- Martínez, Matías, und Michael Scheffel. Einführung in die Erzähltheorie. 10. Aufl. C.H. Beck Studium. München: C.H. Beck, 2016.
- Niegemann, Helmut M., Steffi Domagk, Silvia Hessel, Alexandra Hein, Matthias Hupfer, und Annett Zobel. „Segmentierung und Sequenzierung: Einteilung und Reihenfolge“. In Kompendium multimediales Lernen, 143–52. X.media.press. Berlin Heidelberg: Springer, 2008.
- Sammer, Petra. „Von Hollywood lernen? Erfolgskonzepte des Corporate Storytelling“. In Storytelling: Geschichten in Text, Bild und Film, herausgegeben von Annika Schach, 13–32. Wiesbaden: Springer Fachmedien, 2017. https://doi.org/10.1007/978-3-658-15232-1_2.
Im nächsten Kapitel beschäftigen wir uns mit der Entwicklung eines Storyboards: